Verantwortlichkeit nach § 3 JGG

Die Vorschrift des § 3 JGG enthält einen besonderen Schuldausschließungsgrund für Jugendliche. Entgegen der negativen Formulierung des § 20 StGB „ohne Schuld handelt, wer…“ ist § 3 JGG positiv formuliert „Ein Jugendlicher ist strafrechtlich verantwortlich, wenn…“. Im Gegensatz zu den §§ 20, 21 StGB muss § 3 JGG bei Jugendlichen (niemals bei Heranwachsenden) vom Gericht immer geprüft und festgestellt werden.Der jugendliche Delinquent ist für seine Tat stets nur dann strafrechtlich verantwortlich, wenn er zum Zeitpunkt der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung reif genug ist, das Unrecht seiner Tat einzusehen.

Einsichtsfähigkeit setzt dabei einen Entwicklungsstand voraus, der den Jugendlichen zu der Erkenntnis befähigt, dass seine Handlungen mit einem geordneten und friedlichen Zusammenleben der Menschen unvereinbar sind und deshalb von der Rechtsordnung nicht geduldet werden können.
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|LG Passau v. 29. 7. 1996 – KLs 101 Js 3424/96 jug, NJW 1997, 1165 (1166)|

Handlungsfähigkeit/ Steuerungsfähigkeit/ Handlungskompetenz hingegen fehlt, wenn einzelne Triebe und Reize von so elementarer Kraft sind, dass sie hemmenden Vorstellungen gegenüber das Übergewicht behaupten.Die Unterscheidung zwischen diesen beiden Fähigkeiten ist jedoch nur sehr begrenzt durchführbar.
Liegen die Voraussetzungen des § 3 Satz 1 JGG jedoch vor, so ist der Jugendliche nicht für seine strafrechtlich relevante Handlung verantwortlich und bleibt daher straflos.
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Verhältnis von § 3 JGG zu § 20 StGB

Jedoch deckt § 3 JGG nicht alle Fälle der fehlenden Schuldfähigkeit bei einem jugendlichen Delinquenten ab. Neben der speziellen Norm des Jugendstrafrechts kann auch die allgemeine Norm des § 20 StGB zur Anwendung kommen. Während für § 3 JGG die Entwicklungsreife des Jugendlichen entscheidend ist, werden von § 20 StGB jegliche Störungen pathologischer (krankhafter) Art erfasst. Freilich ist den beiden Normen gemein, dass sie die Schuldfähigkeit betreffen.
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Sie unterscheiden sich jedoch im Wesentlichen dadurch, dass bei Reifemängeln im Sinne des § 3 JGG, von deren Verschwinden im weiteren Verlauf des Sozialisationsprozess ohne Heilbehandlung ausgegangen werden kann, wobei Mängel nach § 20 StGB von der Entwicklung unabhängig sind und in der Regel ohne eine Therapie dauerhaft vorhanden bleiben. Eine Ausnahme innerhalb des § 20 StGB bilden die Intoxikationspsychosen in Folge von Alkohol- bzw. Rauschmittelkonsum.
Die Anwendbarkeit von §§ 20, 21 StGB innerhalb des JGG lässt sich nicht nur mit § 2 JGG begründen, sondern auch auf § 7 JGG stützen. Die Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) hingegen, kann nicht bei einer fehlenden Verantwortlichkeit nach § 3 JGG, sondern nur auf der Basis der §§ 20, 21 StGB erfolgen.

Problematisch wird es, wenn das Gericht bei dem Delinquenten nicht nur Anzeichen einer Reifeverzögerung feststellt, sondern auch solche Verzögerungen, die krankhafter Natur sind. Vorzugswürdig erscheint hier der Ansatz, der dem Gericht ein Wahlrecht zwischen den Sanktionsmöglichkeiten gemäß § 3 S. 2 JGG und denen nach §§ 20, 63 StGB zuspricht.
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